Die Assoziation für Kritische Gesellschaftsforschung (AKG) erklärt sich mit den Forderungen der GDL und ihren Streikaktivitäten solidarisch und verurteilt die von relevanten Teilen der Medien betriebene Rufmordkampagne gegen ihren Vorsitzenden. Es ist mit Nachdruck zu unterstützen, wenn sich Beschäftigte gegen schlechte Arbeits- und Lohnbedingungen wehren! Zudem hat der Arbeitskampf der GDL höchste Relevanz für alle Arbeitnehmer_innen, denn die geplante sog. »Tarifeinheit« wird zur weiteren Absenkung der Arbeitsstandards führen.
Die Arbeitgeber haben in den letzten Jahrzehnten, unterstützt von der Politik, die Spaltungen der Belegschaften massiv vorangetrieben. Leiharbeit, Scheinselbständigkeit und kurzzeitige Befristung von Arbeitsverträgen sind gängige Praxis, bei der Bahn und anderswo. Die Folge ist eine Zerklüftung der Tariflandschaft bei insgesamt oft miserablen Arbeitsbedingungen und sehr geringen Löhnen: Deutschland hat mit offiziell 24% die höchste Niedriglohnrate in Europa. Um diese tarifliche »Flexibilisierung« durchzusetzen, arbeiten die Arbeitgeber oft und gern mit kleinen Gewerkschaften zusammen, beispielsweise mit den christlichen Gewerkschaften bei der Durchsetzung des Leiharbeitstarifs.
Es ist zynisch und skandalös, wenn die Arbeitgeber jetzt nach »Tarifeinheit« rufen und die Bahn AG gar vor einer Spaltung der Belegschaften warnt. Der DB-Konzern besteht zurzeit aus 900 selbständigen Unternehmen, aber es ist nicht die GDL, die Subunternehmen gründet und Leiharbeitsfirmen beauftragt. Vielmehr bringt die GDL ein altehrwürdiges Solidaritätsprinzip der Gewerkschaftsbewegung zur Geltung: Kampfstarke Belegschaften und Berufsgruppen wie aktuell die Lokführer treten in Auseinandersetzungen und Streiks nicht nur für sich selbst, sondern auch für »kampfschwache« Kolleg_innen ein (z.B. Bordkellner_innen).
Das geplante Gesetz zur Entmächtigung von „kleinen“ kampfstarken Gewerkschaften richtet sich gegen die Koalitionsfreiheit und das Streikrecht insgesamt. Die versuchte Vollstreckung dieses Projekts durch die SPD und die Einbindung von Teilen der DGB-Gewerkschaften ist erschreckend, der Angriff auf verbriefte gewerkschaftliche Grundrechte alarmierend.
Hier braucht es kritische Öffentlichkeit und keine mediale Hatz gegen einen Gewerkschaftsrepräsentanten! Eine solche kritische Öffentlichkeit benennt Hintergründe und stellt Zusammenhänge her.
Kritische Medienöffentlichkeit könnte:
- anstatt der GDL Unanständigkeit vorzuwerfen, klarstellen, dass Arbeitszeiten auf Abruf, permanente ungeplante Überstunden und Löhne knapp am Existenzminimum zutiefst unanständig sind;
- anstatt in die Hysterie über eine vermeintliche Verkehrskatastrophe einzustimmen, beleuchten, welche teils katastrophalen Folgen eine Politik der Privatisierung von öffentlichen Gütern und öffentlicher Infrastruktur bislang schon hatte, und welche weiteren drohen;
- anstatt Claus Weselsky „Machtstreben“ vorzuwerfen, überlegen, welches ungeheure Ausmaß an Macht die Arbeitgeberseite derzeit bereits besitzt und welche immer drastischeren Folgen dies für die gesamte Gesellschaft haben wird, wenn Gegenkräfte nicht gestärkt werden;
- anstatt in Permanenz über genervte Kunden zu berichten, mal diskutieren, dass die tagtägliche Nutzung der Bahn vom Einsatz lebendiger Menschen und ihrer Arbeit abhängt;
- und nicht zuletzt: anstatt ins Horn der Bahn-AG zu stoßen und die 25 Jahre Einheitsfeier als Beleg für die Unverhältnismäßigkeit des Streiks anzuführen, daran erinnern, dass die Revolution 1989 wesentlich auch den Kampf um gewerkschaftliche Organisations- und Versammlungsfreiheit zum Inhalt hatte!
Wir fordern: Solidarität mit der GDL! Keine Rufmordkampagne gegen einen engagierten Gewerkschaftsvorsitzenden! Stop den immer einschneidenderen Verschlechterungen in der Arbeitswelt! Kein Gewerkschaftsentmächtigungsgesetz! Für die Bewahrung des Grundrechts auf gewerkschaftliche Organisierung, für die Verteidigung des Streikrechts!
Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung, 9.November 2014.