Am 6. Februar 2021 hat die Mitgliederversammlung der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung (AkG) folgende Erklärung beschlossen.
Solidarität mit Studierenden und Lehrenden der Boğaziçi-Universität in Istanbul!
Seit dem 1. Januar 2021 protestieren Studierende und Lehrende der Boğaziçi-Universität in Istanbul gegen die politisch motivierte Ernennung von Melih Bulu von Staatspräsident Erdoğan zum Rektor der Hochschule. Die Proteste wenden sich zum einen gegen die autoritäre Form der Einsetzung des Rektoramts seitens des Staatspräsidenten und damit gegen die Beschneidung der akademischen Unabhängigkeit. Zum anderen wird Bulu für wissenschaftlich nicht geeignet gehalten und wird damit einer weltweit angesehenen Wissenschaftseinrichtung schaden. Obwohl die autoritäre Entscheidung des Staatspräsidenten, der sich nicht mit den universitären Gremien verständigt hat, von den Professor*innen und Studierenden breit abgelehnt wird, führt dies bislang zu keinem Einlenken. Die akademischen Argumente werden nicht ernst genommen, die Kritiker*innen vielmehr als „Terroristen“ bezeichnet. Die türkische Regierung will die Proteste durch massive Repression niederschlagen. Die Polizei ging gewaltsam gegen Protestaktionen in Istanbul und anderen Städten vor und nahm hunderte Menschen fest. Viele Menschen wurden durch Gummigeschosse und Tränengas der Polizei verletzt, einige Studierende berichten über sexualisierte Gewalt seitens der Polizei.
Ein Kunstprojekt einer LGBTQI-Gruppe an der Universität nahmen Vertreter*innen der Regierungspartei AKP weiterhin zum Anlass, aufgrund angeblicher Beleidigung der Religion vier Student*innen festzunehmen. Innenminister Süleyman Soylu bezeichnete die festgenommenen LGBTQI-Aktivist*innen als "Perverse", die bestraft werden müssten. Angehörige der LGBTQI-Community werden schon lange von der AKP-Regierung verfolgt und Soylus Ausfall bescheinigt einmal mehr, wie konservativ-islamische Kräfte offen Hass gegen Minderheiten im Land schüren.
Allerdings geben die Studierende der Boğaziçi-Universität nicht auf. Inzwischen gibt es eine breite Unterstützung, die auch von außeruniversitären Oppositionskräften getragen wird. Auch außerhalb der Türkei kam es bereits zu einer Reihe von Solidaritätsaktionen wie etwa in Barcelona, Köln und Berlin. Wir als Sozialwissenschaftler*innen, die in der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung (AkG) organisiert sind, möchten unsere Solidarität mit den Studierenden und Lehrenden der Boğaziçi-Universität in Istanbul deutlich machen und verurteilen diesen erneuten Angriff der AKP-Regierung auf die Wissenschaftsfreiheit. Wir stehen weiterhin in Solidarität zu den verhafteten LGBTQI-Aktivist*innen unter der LGBTQI-Community in der Türkei.
Fortlaufende Informationen zu den Entwicklungen vor Ort finden sich unter anderem hier:
https://twitter.com/resistBU (Englisch)
https://twitter.com/budirenisi (Türkisch)
https://academicsforpeace-germany.org/2021/01/08/dieser-vorgang-ist-inakzeptabel/ (Deutsch)
https://academicsforpeace-germany.org/2021/01/08/we-do-not-accept/ (Englisch)