Kritische Gesellschaftsforschung nicht ohne Gender Studies/Geschlechterforschung!
Stellungnahme Assoziation für Kritische Gesellschaftsforschung zum 18.12.2017 #4genderstudies
Wir erleben zurzeit die Offensive eines rechten Hegemonieprojektes, die auf verschiedenen gesellschaftlichen Feldern ausgefochten wird, von denen einzelne besonders ins Visier geraten. Aktuell trifft es u.a. Gender Studies/Gleichstellungspolitiken und deren Akteur*innen, die unter dem Stichwort „Gender (Studies)“ als vermeintlich einheitliches Fach diffamiert werden. Seit mehreren Jahren häufen sich im deutschsprachigen Raum verbale Angriffe bis hin zu Vergewaltigungs- und Morddrohungen gegen einzelne Akteur*innen des Feldes. Das geschieht im Kontext diskursiver Schikanen gegen Forschungsperspektiven und Politiken, die sich mit Geschlechterverhältnissen in Natur-, Rechts-, Kultur-, Sozial- und Geisteswissenschaften, wie aber auch der Kunst und Ästhetik beschäftigen. Im Vordergrund stehen Argumente von behaupteter Unwissenschaftlichkeit sowie der Vorwurf, „die“ Gender Studies würden politische und nicht-wissenschaftliche Fragestellungen bearbeiten, die zudem nicht im Interesse der Öffentlichkeit stünden. Dabei wird Geschlechterforschung/Geschlechterpolitiken und feministischen Perspektiven von rechtsextremen, konservativen, aber auch teilweise von links-liberalen Akteur*innen die Legitimität abgesprochen und die Berechtigung der Analysekategorie Geschlecht grundsätzlich angezweifelt.
Vor diesem Hintergrund wollen wir als Assoziation kritischer Wissenschaftler*innen die kritische Perspektive auf Geschlechterverhältnisse als unverzichtbar für eine kritische Gesellschaftsanalyse und eine radikal-demokratische gesellschaftliche Transformationsperspektive hervorheben. Dies schließt die kritische Analyse der Geschlechterverhältnisse in ihrer Verschränkung mit anderen Herrschaftsverhältnissen ein. Sie ist darauf ausgerichtet, gesellschaftliche Verhältnisse von Unterdrückung, Ausbeutung, Ausgrenzung und Diskriminierung in ihren aktuellen wie historischen Ausformungen zu verstehen und zu überwinden. Sie steht in solidarischer Verbindung zu anderen Institutionen und Strukturen, die aus den sozialen Bewegungen hervorgehen und queer_feministische Ziele verfolgen (wie etwa Frauenhäuser und geschlechterpolitische Beratungsstellen), und ebenfalls in Frage gestellt werden.
Geschlecht ist eine der zentralen gesellschaftlichen Ordnungsweisen, die dazu beitragen, Hierarchien und Gewalt zu festigen und zu legitimieren. Geschlechterforschung stellt wissenschaftliche Kategorien und Analysen bereit, die diese Hierarchie- und Gewaltverhältnisse sowie die damit verbundenen wirkmächtigen Prozesse der Normalisierung von Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität kritisch in den Blick nehmen. Dabei lässt sich eine einheitliche Thematisierung des Gegenstandes weder beobachten, noch ist sie wünschenswert. Zu Geschlechterforschung und -politiken gehören auch kontroverse Auseinandersetzungen um Inhalte, Analyseperspektiven und politische Anliegen, auch im Wissenschaftsfeld selbst. Als solche sind sie Teil einer Auseinandersetzung um gesellschaftskritische (Theorie-)Ansätze. Die Angriffe von rechts richten sich jedoch nicht gegen einzelne Forschungs- oder Analyseperspektiven, sondern sie sind Teil eines umfassenderen anti-feministischen Backlashs, der darauf zielt, bestehende Herrschaftsverhältnisse abzusichern. Sie sind auch als Teil von Kämpfen gegen gesellschafts-kritische Wissenschaft überhaupt zu sehen.
Geschlechterforschung als Teil kritischer Gesellschaftsanalyse ist historisch erkämpft worden. Entgegen dem heraufbeschworenen Bild einer Dominanz bzw. Überrepräsentation der Gender Studies an Universitäten ist schon ihre institutionelle Verankerung in der deutschsprachigen Wissenschaftslandschaft weiterhin ein zentrales, noch zu erreichendes Ziel. Bisher machen Professuren im Feld der Geschlechterforschung an deutschsprachigen Universitäten und Hochschulen 212 von fast 47.000 Professuren aus, darunter nur ganze 43 Volldenominationen. In Sachen Institutionalisierung ist also noch Luft nach oben.
Der Vereinzelung, in die Akteur*innen im Feld der Geschlechterforschung durch diese Auseinandersetzungen gebracht werden, gilt es solidarisch entgegen zu treten. Dabei sollten die unterschiedlichen Perspektiven im Feld selbst wahrgenommen und Einspruch, Zuspruch und Widerspruch möglichst vielfältig artikuliert werden! Das schließt ein, inhaltliche Differenzen, Positionen, Personen und institutionelle Kontexte des Wissenschaftsfeldes nicht gegeneinander auszuspielen, und Versuche, dies zu tun, ins Leere laufen zu lassen. Und es bedeutet, sich klar gegen die Angriffe von rechts zur Wehr zu setzen!
Die Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung versteht sich als Teil länderübergreifender Netzwerke, die sich gegen das rechte Hegemonieprojekt stellen. Wir laden dazu ein, sich daran zu beteiligen!
Dateien
- AkG-Stellungnahme Gender Studies,18.12.2017 pdf, 51.24 KB