Daniel Keil, Mitglied des AK kritische Europaforschung in der AkG und Verfasser des gerade bei Dampfboot erschienen Buches "Territorium, Tradition und nationale Identität" in einem Jungle-World-Interview über linke Europakritik vor dem Hintergrund einer Neuorganisation rechter, nationalistischer Kräfte:
Rechte wie linke Gruppen und Parteien kritisieren die Europäische Union und schlagen den Austritt einzelner Staaten vor. Der zunehmende Euroskeptizismus geht auch einher mit wachsendem Nationalismus. Mit Daniel Keil sprach die Jungle World über neue völkische Bewegungen, europäischen Antiamerikanismus und eine linke EU-Kritik.
Interview: Peter Nowak
Nach dem Scheitern von Syriza in Griechenland wird in Teilen der Linken wieder verstärkt darüber diskutiert, Europa den Rücken zu kehren, wie es einen Beitrag in der Monatszeitung analyse und kritik (ak) heißt. Sehen Sie hier die Gefahr einer antieuropäischen Querfront oder hat eine linke EU-Kritik noch eine Chance?
Griechenland hat die autoritäre Verfasstheit und die Dominanzverhältnisse innerhalb der EU offen gezeigt. Für die Linke war das eine Niederlage, da selbst parlamentarisch-reformistische Bestrebungen, dem Austeritätsdiktat etwas entgegenzusetzen, angesichts der Kräfteverhältnisse ein fast aussichtsloses Unterfangen sind. Wenn sich Widersprüche so offen zeigen und dann autoritär bearbeitet werden, kann das auch als Anzeichen einer politischen Krise gedeutet werden. Die Verfasstheit der EU ist nicht mehr hegemonial, im Sinne der Ergänzung des Zwangs durch Konsens und Einbindung der Subalternen, sondern nur noch Zwang und Dominanz. Ein Anzeichen der politischen Krise findet sich jetzt auch in der Flüchtlingspolitik, in der offen, wie von Luxemburgs Außenminister Asselborn geäussert, vor einem Zerbrechen der EU gewarnt wird. Ein weiteres Anzeichen ist, klassentheoretisch gesprochen, das Aufbrechen von Konflikten und Widersprüchen innerhalb der Klassenfraktionen und deren Neuordnung, was sich in der Stärke rechter Parteien und Bewegungen ausdrückt. Nationalistische, konservative und faschistische Gruppen stellen sich gerade neu auf. Die Konstellation dieser Krise sollte dabei sehr genau analysiert werden und ich glaube nicht, dass sich die Linke auf ein einfaches »dann halt raus aus Europa« zurückziehen kann. Die Frage dabei ist ja, was das in der derzeitigen Situation bedeutet, welche Alternativen es gibt und was ein Zerbrechen der EU bedeuten würde. Insofern sind Momente einer antieuropäischen Querfront, die es durchaus gibt und die aus einer binären Sicht – der Nationalstaat gegen die EU – entstehen, fatal. Genau so etwas muss Bestandteil einer emanzipatorischen Kritik der EU sein.
Das gesamte Interview auf jungle-world.de