Vielfach wird angenommen, dass Krisen- und Prekarisierungserfahrungen Beschäftigte in die Defensive drängen: Ansprüche an die Arbeit würden zurückgenommen oder aufgegeben, Lebensentwürfe modifiziert oder eingeschränkt. Trifft das auch für Arbeitnehmer zu, die nicht in bedrohten oder prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten auf die »Arbeitnehmermitte«? In einer breit angelegten qualitativ-empirischen Untersuchung finden Hürtgen und Voswinkel bei Angehörigen dieser Gruppe auf den ersten Blick kaum Verunsicherung. Ansprüche an Arbeitsplatzsicherheit, Einkommen, Anerkennung und Kollegialität halten sie weiterhin für normal, ebenso die Vorstellung, dass Respekt, Selbstsorge, Schutz vor Überbeanspruchung und ein erfülltes Leben jenseits der Arbeit normative Geltung haben sollten. Auch abweichende Erfahrungen erschüttern diese Konzeption nicht, werden vielmehr von hier aus kritisiert. Auf den zweiten Blick zeigt sich allerdings, dass diese Beschäftigten die selbst erlebte Normalität keineswegs mehr als gesellschaftsweit gültig wahrnehmen. Sie erleben sich in einer »Sondersituation« und hegen Zweifel, ob ihre eigenen Normalitätsvorstellungen noch die soziale und normative Mitte der Gesellschaft repräsentieren.
Stimmen zum Buch
"Es handelt sich um eine sehr gut konzipierte und sorgfältig durchgeführte qualitativ-biografische Studie zu einer sehr aktuellen Thematik. Während bei soziologischen Forschungsprojekten seit längerem die Neigung besteht, immer speziellere Subgruppen der Bevölkerung zu untersuchen, rückt das vorliegende Projekt gerade die Mitte der Gesellschaft in den Fokus. Durch die ausführlichen Dialoge der AutorInnen mit den InterviewpartnerInnen und eine qualifizierte Auswertung der Interviews gelingt es, wichtige neuere Erkenntnisse und Denkanstöße zutage zu fördern." Prof. Dr. Uwe Helmert am 15.4.2015 auf socialnet.de