Alex Demirović (Hg.) (2015) Wissenschaft oder Dummheit? Über die Zerstörung der Rationalität in den Bildungsinstitutionen. Hamburg, VSA.
»Der Staat ruiniert seine Universitäten.« »Die Hochschulen werden marktökonomisiert, verbetriebswirtschaftlicht und unternehmerisch.« »Die Bildung wird eine Ware.« »Die Wissenschaften werden zerstört.« »Der Bologna-Prozess ist gescheitert, die Reformen sollten eingestellt werden.« Die Kritik am neokonservativ und neoliberal betriebenen Umbau der Hochschulen und Wissenschaft in Deutschland kommt mittlerweile von vielen Seiten. Diese Reorganisation ist auch Gegenstand der vorliegenden Texte. Es geht in ihnen darum, diesen seit mehr als zwei Jahrzehnten sich vollziehenden Prozess kritisch zu verstehen und die Folgen auszuloten. Aber die vorliegenden Texte treten parteiisch für kritische Theorie ein. Es geht also nicht einfach darum, die Veränderungen zu beschreiben; auch wird nicht gefordert, dass der vorherige Zustand wieder hergestellt werden sollte. Die Frage ist vielmehr, welche Konsequenzen diese Veränderungen für die Bedingungen der Möglichkeit kritischer Wissensproduktion und die Entfaltung eines emanzipatorischen Wissens- und Wahrheitsregimes haben. Schaffen sie solche, erweitern sie oder verhindern sie sie? Ohne Zweifel war der frühere Zustand besser, weil seit den 1960er Jahren durch die Initiative und das Engagement vieler Menschen – WissenschaftlerInnen, JournalistInnen, BildungspolitikerInnen sowie vor allem die Aktiven in den Protestbewegungen von Studierenden und SchülerInnen – die Hochschulen in einem gewissen Umfang demokratisiert und zu Orten wurden, wo kritische Forschung möglich wurde. Nicht zuletzt die Verbindung von beidem hat ein unerwartetes und von vielen gar nicht erwünschtes Maß an akademischer und intellektueller Freiheit ermöglicht. Haben die Hochschulen in jener Periode der kritischen Theorie im weiten Sinn der verschiedenen Ansätze und Disziplinen viele Hindernisse in den Weg gelegt, so gilt dies für die darauf folgende Periode erst recht. Wenn von der neoliberalen Konterrevolution gesprochen wird, dann betrifft diese auch die Hochschulen. Die soziale Ungleichheit unter Studierenden, Fächern und HochschullehrerInnen nimmt wieder zu, sie werden entdemokratisiert, die Erzeugung und Zirkulation kritischen Wissens werden zwar nicht völlig unmöglich, aber deutlich erschwert und marginalisiert.
Die Aufsätze des vorliegenden Buches bewegen sich in jenem Grenzbereich einer politischen Epistemologie, wo sich Fragen der Hochschule, der Wissenschaft, der kritischen Wissensproduktion sowie der (politischen) Bildung berühren.
Download des gesamten Buches, siehe Link rechts.
Inhalt
- Vorwort
- Gefahren der Dummheit: Wissenschaft im Kontext von Hochschulreform
- Wissenschaft oder Dummheit: Die Zerstörung der wissenschaftlichen Rationalität
- durch Hochschulreform
- Die neoliberale Reorganisation der Hochschulen und die Perspektiven kritischer Wissenschaft
- Demokratische oder autokratische Hochschule: Zum Entwurf der Neufassung des Hessischen Hochschulgesetzes
- Von der bedingten Universität zum emanzipatorischen Wissen: Für eine demokratische Hochschulreform – jenseits von »Bologna«
- Autonomie der Hochschulen in der Demokratie
- Bildung als öffentlich-staatliche Einrichtung
- Die Transformation der Staatlichkeit von Hochschulen
- Kritische Gesellschaftstheorie und ihre Bildungsbedingungen im fordistischen und postfordistischen Kapitalismus
- Materialistisches Wissen – kritische Theorie: Die Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung
- Bildung und Kritik: Der Beitrag der Kritischen Theorie zur Theorie der Produktion kritischen Wissens
- Die politische Metapher links und die politischen Orientierungen von Studierenden
- Streik!
- Literatur
Dateien
- Demirović 2015 - Wissenschaft oder Dummheit pdf, 1.32 MB