Call for Contributions: Antidemokratische Konservative. Feinde einer offenen, solidarischen und gleichberechtigten Gesellschaft
Tagung der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung, 30. November bis 2. Dezember 2018 in Hamburg
u.a. mit Ceren Türkmen, Max Pichl, Ilker Ataç, Carolina Vestena, Lukas Oberndorfer, Axel Gehring, Alke Jenss, Theresa Elena Gessler, Joachim Becker, Ingar Solty, Maria Backhouse, Alp Kayserilioğlu, Thomas Gesterkamp, Caren Mieseberger, Paula Irene Villa, Thomas Sablowski, Carina Book, Alex Demirović, u.v.m.
Ob Trump, Erdogan, Orbán oder die AfD – antidemokratische Konservative feierten in den letzten Jahren vielerorts auf der Welt politische und mediale Erfolge. In öffentlichen Debatten fallen sie durch eine aggressive Freund-Feind-Rhetorik mit ausgeprägter Verschwörungsmentalität auf, die einen demokratischen Austausch von Sachargumenten verhindert. Die Gesellschaft imaginieren sie als wahlweise von „einem feministischen Volkssturm“, „illegaler Masseneinwanderung“, „elitären Hipstern“, „der Anti-Abschiebe-Industrie“, „Leuten des Spekulanten“, „Terror-Helfern“, „linksextremen“ Medien oder „versifften links-rot-grünen 68ern“ dominiert und bedroht. Der geforderte Umgang mit diesen „Feinden“ reicht – je nach Grad der politischen Radikalität – vom Ziel einer „konservativen Revolution“, um sie politisch in ihre Schranken weisen über den Ruf nach Inhaftierung bis hin zu Gewaltphantasien einer physischen Vernichtung („an die Wand stellen und Löschkalk obendrauf streuen“ bzw. „notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen“). Dort, wo sie an der Regierung sind, treiben antidemokratische Konservative einen autoritären Umbau des Staats voran: Rechtsstaatliche Garantien werden ausgehöhlt, Wahlsysteme werden autoritär restrukturiert, die demokratische Zivilgesellschaft wird bekämpft, Presse-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit werden eingeschränkt, individuelle Grundrechte werden durch eine Ausweitung polizeilicher Befugnisse abgebaut (z.B. neues Polizeigesetz in Bayern), soziale Sicherungssysteme gekürzt, Minderheiten werden exkludiert und entrechtet (z.B. Anker-Zentren), neonazistische Organisationen werden normalisiert und Frauenrechte zur Disposition gestellt. Der Begriff der „Demokratie“, so zeigt diese Entwicklung, wird von den entsprechenden konservativen Akteuren inhaltlich entleert und durch ein staatszentriertes und teils völkisch aufgeladenes Politikverständnis ersetzt, das nicht selten an die Theorietradition der prä-faschistischen „Konservativen Revolution“ (u.a. Jünger, Spengler, Schmitt) in Deutschland erinnert. Die eigene (autoritär-konservative) Position wird als Ausdruck eines einheitlichen Volkswillens verstanden und inszeniert, wodurch alle, die diese nicht teilen, rhetorisch zu „Volksverrätern“ werden. Gegenüber vielfältigen postmigrantischen und zumindest teils relativ liberalen Gesellschaften werden kulturelle Homogenität und konservative Wertvorstellungen propagiert, die (notfalls mit Gewalt) durchgesetzt werden sollen.
Auf unserer Tagung wollen wir uns mit Ursachen, Hintergründen und Folgen des Bedeutungsgewinns antidemokratisch-konservativer Positionen auseinandersetzen. Am Beispiel von fünf Ländern bzw. Ländergruppen – Deutschland und Österreich, Kolumbien und Brasilien, der Türkei, den USA sowie Polen und Ungarn – legen wir dabei den Schwerpunkt auf vier Themenbereiche. Wir freuen uns über Vorschläge für Inputvorträge, die mit Bezug auf eines oder mehrere der Länder empirisch aus Perspektiven kritischer Gesellschaftsforschung z.B. folgenden Fragen nachgehen:
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
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Welche Folgen haben antidemokratische Konservative für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit? Welchen Elementen kommt in ihren Staatsprojekten eine zentrale Rolle für den autoritären Umbau der Gesellschaft zu? Inwiefern ersetzen korrupte und/oder klientelistische Netzwerke mehr oder weniger transparente staatliche Bürokratien? In welchem Verhältnis stehen autoritäre konservative Staatsprojekte zu neoliberal-technokratischen Strategien der Abschottung des Staats von demokratischer Teilhabe? Wie wirken sich autoritäre Politikformen auf das alltägliche Verständnis von Demokratie aus? Wie ist die Beziehung zwischen antidemokratisch-konservativen Akteuren und neonazistischen bzw. faschistischen Gruppierungen? Welche Auswirkung haben digitale soziale Medien? Welche Ansatzpunkte gibt es, um Demokratie radikaldemokratisch auszuweiten und zu vertiefen?
Klassenverhältnisse und Sozialpolitik
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Welche Zusammenhänge bestehen zwischen dem Aufstieg antidemokratischer Konservativer und sozialen Abstiegs- und Verunsicherungsprozessen? Welche Rolle spielt die Austeritätspolitik der EU? Wie steht der Aufstieg im Verhältnis zu Ohnmachtserfahrungen und „adressatenloser Wut“ im Betrieb und auf dem Arbeitsmarkt? Wie wichtig sind Wohlfahrtschauvinismus, „imperiale Lebensweise“ und „exklusive Solidarität“ als Erklärungsfaktoren? Welche Klassenbasis haben antidemokratisch-konservative Parteien? Wie sind sie arbeits- und sozialpolitisch ausgerichtet? Welche Formen der Entsolidarisierung werden durch sie ausgelöst bzw. verstärkt? Welche Chancen bietet in diesem Zusammenhang eine neue Klassenpolitik und wie könnte diese aussehen? Was können Gewerkschaften tun?
Antifeminismus, Geschlechterverhältnisse und Geschlechterpolitik
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Welche Rolle spielen Männerbünde und maskulinistisch geprägte Strukturen? Welche Erklärungskraft kommt der Kategorie Geschlecht zu? Welche geschlechterpolitischen Strategien verfolgen antidemokratische Konservative und welche Rolle spielen dabei Antifeminismus bzw. Anti-Genderismus? Inwiefern werden Geschlechterverhältnisse ethnisiert und welche Konsequenzen hat das? Welche Potentiale ergeben sich aus dem Konflikt zwischen konservativen Gesellschaftsvorstellungen und der alltäglich gelebten Vielfalt von Geschlechterrollen? Welche feministischen Strategien bräuchte es?
Rassismus, Minderheiten- und Migrationspolitik
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Welche Auswirkungen haben antidemokratische Konservative für Geflüchtete und andere (vermeintliche) Minderheiten? Wie verändern sie das ohnehin restriktive Migrationsmanagement? Welche neuen diskursiven Strategien entstehen, die Rassismus unsichtbar machen? Welche Rolle spielen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und historisch sedimentierte rassistische Narrative? Wie wirkt sich Hate Speech in sozialen Medien auf die demokratische Öffentlichkeit aus? Welche Rolle kommt der Entrechtung z.B. von Geflüchteten für den allgemeinen autoritären Umbau der Gesellschaft zu? Welche inklusiven Solidaritäten und Erfahrungen entstehen in der postmigrantischen Gesellschaft und wo entwickeln sie ein widerständiges Potential?
Organisatorisches
Schickt uns bis zum 30.06.2018 eine kurze formlose Skizze eures Beitrags (max. eine Seite) an akg2018@posteo.de. Wir stellen anschließend das Programm der Tagung fertig und informieren euch bis zum 31.07.2018, welche Beitragsvorschläge wir berücksichtigen konnten.
Die Teilnahme an der Tagung ist kostenlos. Fahrtkosten für prekäre AkG-Mitglieder können erstattet werden. Auf Anfrage bemühen wir uns um eine (für euch kostenlose) professionelle Kinderbetreuung für den Zeitraum der Tagung. Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung, unsere Mailadresse lautet akg2018@posteo.de