Der Stellenwert philosophischer Tätigkeiten hat sich im letzten Jahrzehnt tiefgreifend verändert: Das Ende des Kalten Krieges hat die Bipolarisierung in geronnene politische »Weltanschauungen« beendet und das Denken von Alternativen wieder »ins Freie« der offenen diskursiven Auseinandersetzung gebracht – auch wenn diese sich auf einem bis an den Horizont reichenden Trümmerfeld politischer Gewissheiten vollzieht. Zugleich haben neue Entwicklungen in den Gesellschaften, »in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht« (Marx), das Gehäuse des Nationalstaates unterwühlt, in dem sich die institutionelle Bändigung und wissenschaftliche Positivierung von Politik im 19. und 20. Jahrhundert vollzogen hatte.
Rezension
»Wissen heißt hier nicht Besser-Wissen, ... Eine Utopie? Mag sein. Aber es hat etwas sympathisch Anarchisches, wie Wolf seine ›Radikale Philosophie‹ entwickelt: nicht im Gestus der Unduldsamkeit und ohne durch imponierende Fassaden zu blenden. Sein Gedankenbau hat das chinesische Schwalbennest zum Vorbild: durch eine Vielzahl von Klebepunkten sind die verfestigten Speichelfäden miteinander verbunden. In der Struktur der Klebepunkte gibt es weder Rangfolge noch Regelmäßigkeit; aber das tut der Zweckdienlichkeit und funktionalen Schönheit des Gebildes keinen Abbruch.«
Holger Schlodder NDR Kulturelles Wort