27.11.2017
Am 3. November organisierten wir im Rahmen der AkG-Tagung den Workshop ‚Knoten, Ketten, Korridore und Konflikte: Arbeitskämpfe in und um globale Logistikunternehmen und Lagerhäuser‘. Mit circa 30 Teilnehmer*innen war der Workshop gut besucht. Das erste Referat von Anne Engelhardt leitete in Thematik ein. Anne ging der Frage nach, wie sich die Logistikbranche weltweit in den letzten 50 Jahren verändert hat. Dabei verwies sie einerseits auf historische, ökonomische, politische und technische Rahmenbedingungen und andererseits auf deren Auswirkungen auf Arbeitsverhältnisse sowie Arbeitskonflikte. Im zweiten Referat ging Sabrina Apicella exemplarisch auf die Struktur des Unternehmens Amazon ein und erläuterte den Kampf um einen Tarifvertrag, bessere Arbeitsbedingungen und unterschiedliche Streikstrategien.
In der anschließenden Diskussion warfen die Teilnehmenden unter anderem die Frage auf, ob Automatisierung zu weniger Jobs oder stattdessen zu einer ‚digitalen Taylorisierung‘ führt, welche sich durch kleinteilige, sich wiederholende Arbeitsschritte, schlechte Bezahlung und umfassende Überwachung der Arbeit mithilfe von Software – insbesondere durch die Nutzung von GPS und die Aufzeichnung von Internetaktivitäten – auszeichnet. Eine Kollegin, die derzeit zur Ökonomisierung der Behindertenwerkstätten forscht, berichtete, dass diese ebenfalls Zulieferarbeit für Amazon verrichten und eine zunehmende Eingliederung der Arbeitsschritte in die Konzernabläufe erfolgt, wobei die Löhne weit unter dem Mindestlohn bleiben.
Zudem wurde der Frage nachgegangen, inwiefern der Kampf um einen Tarifvertrag eine zeitgemäße und wirksame Forderung im Sinne der Beschäftigten ist. Diskutiert wurde, ob Tarifverträge noch als Druckmittel eingesetzt werden können. Die Erfahrung zeigt, dass sich Firmen wie Amazon jedweder Verhandlung mit Gewerkschaften verweigern und auch nicht in den entsprechenden Verbänden organisieren. Zudem werden bestehende Tarifverträge von Arbeitgeberseite nicht eingehalten, während sie die Friedenspflicht nutzen, um die Beschäftigten unter Druck zu setzen.
Eine weitere Diskussion schnitt die Einflussmöglichkeit politischer Gremien in den Kommunen und den Ländern an. Wenn es darum geht, Amazon neue Flächen für Warenlager zu gewähren, stellt sich die Frage, ob sich somit auch Druck auf die Tarifpolitik des Konzerns ausüben lässt. In diesen Zusammenhang wurde aufgeworfen, dass der Konzern tendenziell strukturschwache Standorte gegeneinander ausspielt, was nicht nur zu einem Standortwettbewerb auf nationaler, sondern auch regionaler Ebene führt. Dadurch geraten die politischen Einflussmöglichkeiten aus dem Blickfeld. Wir empfehlen für Interessierte folgende Texte:
Stefan Sell, ‚Zwischen „digitalem Taylorismus“, osteuropäischen Ersatzlagern und einer beginnenden Menschenentleerung durch Automatisierung. Ambivalente Arbeitswelten am Beispiel Amazon‘, Aktuelle Sozialpolitik-Blog.
Transnational Social Strike Platform, Logistics and the Transnational Social Strike, Fall 2017 Journal.
Nach dem Workshop beteiligten wir uns an dem weltweiten Aktionstag ‚No more iSlave‘, der sich gegen die Arbeitsbedingungen bei Apple-Zulieferern wie Foxconn richtete. Wir haben vor dem Eingang des Hamburger Flagship Store von Apple Flyer verteilt und mit Schildern auf die prekäre Lage der Beschäftigten aufmerksam gemacht. Genau an diesem Tag erschien das achte Modell des iPhones in zehn Jahren, was viele Menschen in die Läden zog und uns die Möglichkeit bot, mit ihnen über die Macht- und Ausbeutungsbeziehungen in der globalen Produktion zu diskutieren. Weitere Informationen findet ihr hier.
Auf der AkG -Tagung selbst wurden vor allem unterschiedliche Analyseraster und Theorien zur aktuellen wirtschaftlichen, ökologischen, migrationspolitischen und sozialen Lage vorgestellt und debattiert. Beispielsweise ging es um die ‚Imperiale Lebensweise‘, die autoritäre Entwicklung der EU, deren Auswirkungen auf Solidaritätsbewegungen und nationalistische Tendenzen sowie Kämpfe um Mitbestimmung im städtischen Raum, wobei hierbei die Rechte von Migrant*innen im Mittelpunkt standen.
Auf der Mitgliederversammlung der AkG nach der Konferenz stellten wir den Arbeitskreis Arbeitskämpfe erstmals vor. Unsere Arbeit wurde sehr begrüßt, und wir hoffen, dass wir demnächst von weiteren Workshops und Aktionen berichten können.